Rezitation: Oskar Werner
von der CD
„Oskar Werner spricht Gedichte“
erschienen bei amadeo Österr. Schallplatten
ASIN: B000025GOM
Text:
(Ludwig von Ficker zugeeignet)
Oft am Brunnen, wenn es dämmert,
Sieht man sie verzaubert stehen
Wasser schöpfen, wenn es dämmert.
Eimer auf und nieder gehen.
In den Buchen Dohlen flattern
Und sie gleichet einem Schatten.
Ihre gelben Haare flattern
Und im Hofe schrein die Ratten.
Und umschmeichelt von Verfalle
Senkt sie die entzundenen Lider.
Dürres Gras neigt im Verfalle
Sich zu ihren Füßen nieder.
2
Stille schafft sie in der Kammer
Und der Hof liegt längst verödet.
Im Hollunder vor der Kammer
Kläglich eine Amsel flötet.
Silbern schaut ihr Bild im Spiegel
Fremd sie an im Zwielichtscheine
Und verdämmert fahl im Spiegel
Und ihr graut vor seiner Reine.
Traumhaft singt ein Knecht im Dunkel
Und sie starrt von Schmerz geschüttelt.
Röte träufelt durch das Dunkel
Jäh am Tor der Südwind rüttelt.
3
Nächtens übern kahlen Anger
Gaukelt sie in Fieberträumen.
Mürrisch greint der Wind im Anger
Und der Mond lauscht aus den Bäumen.
Balde rings die Sterne bleichen
Und ermattet von Beschwerde
Wächsern ihre Wangen bleichen.
Fäulnis wittert aus der Erde.
Traurig rauscht das Rohr im Tümpel
Und sie friert in sich gekauert.
Fern ein Hahn kräht. Übern Tümpel
Hart und grau der Morgen schauert.
4
In der Schmiede dröhnt der Hammer
Und sie huscht am Tor vorüber.
Glührot schwingt der Knecht den Hammer
Und sie schaut wie tot hinüber.
Wie im Traum trifft sie ein Lachen;
Und sie taumelt in die Schmiede,
Scheu geduckt vor seinem Lachen,
Wie der Hammer hart und rüde.
Hell versprühn im Raum die Funken
Und mit hilfloser Gebärde
Hascht sie nach den wilden Funken
Und sie stürzt betäubt zur Erde.
5
Schmächtig hingestreckt im Bette
Wacht sie auf voll süßem Bangen
Und sie sieht ihr schmutzig Bette
Ganz von goldnem Licht verhangen,
Die Reseden dort am Fenster
Und den bläulich hellen Himmel.
Manchmal trägt der Wind ans Fenster
Einer Glocke zag Gebimmel.
Schatten gleiten übers Kissen,
Langsam schlägt die Mittagsstunde
Und sie atmet schwer im Kissen
Und ihr Mund gleicht einer Wunde.
6
Abends schweben blutige Linnen,
Wolken über stummen Wäldern,
Die gehüllt in schwarze Linnen.
Spatzen lärmen auf den Feldern.
Und sie liegt ganz weiß im Dunkel.
Unterm Dach verhaucht ein Girren.
Wie ein Aas in Busch und Dunkel
Fliegen ihren Mund umschwirren.
Traumhaft klingt im braunen Weiler
Nach ein Klang von Tanz und Geigen,
Schwebt ihr Antlitz durch den Weiler,
Weht ihr Haar in kahlen Zweigen.
Bilder: Fotocollage
Erklärungen zum Text:
(Auszug)
"Ludwig von Ficker zugeeignet" lautet die Widmung dieses Gedichtes. Damit nimmt es bereits äußerlich einen besonderen Rang ein, denn Ludwig von Ficker war Herausgeber der in Innsbruck erscheinenden Zeitschrift "Der Brenner", die Trakl zur öffentlichen Anerkennung verhalf. Sie hatte nichts mit Alpenseligkeit zu tun, wie der Titel falsch vermuten lassen könnte. Die Zeitschrift war Forum für Literaturkritik und avantgardistische Literatur. Ihren Namen verdankte sie einer Inspiration durch die Zeitschrift "Die Fackel" von Karl Kraus, mit dem bei Innsbruck gelegenen Brennerpass als Realreferenz.
Im ersten von Trakl verantworteten Band seiner Werke steht der Text an der zweiten Position, nach dem einleitenden "Die Raben". Der Text zählt zu den balladenartigen Langgedichten Trakls. Er besteht aus sechs Szenen mit jeweils drei Strophen zu vier Zeilen. In der ersten Szene wird skizzenhaft das Bild der "jungen Magd" gezeichnet, an einem Ort, der zu ihrer Arbeit gehört, dem Brunnen, zu welchem sie offensichtlich auch eine besondere Beziehung hat, der sie "verzaubert".
Ihre Arbeit dort ist es, Wasser zu schöpfen. Was konkret sie dabei "verzaubert" bleibt unklar, es könnte das "auf und nieder" der Eimer sein, die im Brunnenschacht verschwinden, um gefüllt wiederzukehren. Es könnte aber auch die Dämmerungsstimmung sein, wobei wir nicht erfahren, ob es die Abenddämmerung oder die Morgendämmerung ist, zu der sie Wasser holen geht.
Die zweite Strophe verbindet die Figur der Magd mit zwei charakteristischen Tierarten, die bei Trakl gelegentlich erscheinen, mit Dohlen und Ratten. Die Konnotationen sind deutlich bedrohlich, die Ratten "schreien" und das Flattern der Dohlen reimt sich auf "Schatten", dem die Magd gleiche. In der dritten Strophe konkretisiert sich diese eher düstere Stimmung. Die Magd sei von Verfall "umschmeichelt", ihre Augenlider sind entzündet, das Gras zu ihren Füßen ist "dürr".
Die vollständigen Erklärungen finden Sie unter dem angegebenen Link
Quelle: gedichte-werkstatt.de/Trakl/In...
Негізгі бет Georg Trakl „Die junge Magd“
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