Dieser Radiobeitrag basiert auf einem Text von Moishe Postone aus dem Jahr 2005:
"(...) In einer historischen Situation gesteigerter Ohnmacht drückte Gewalt die Wut über die Ohnmacht aus und förderte gleichzeitig die Verdrängung dieser Ohnmachtsgefühle. Sie wurde nicht mehr als Mittel der Veränderung verstanden, sondern als Akt der Selbstkonstitution als Außenstehender, als Anderer. Die Idee grundlegender Veränderung wurde ausgeklammert und durch die ambivalenteren Vorstellungen von Widerstand und widerständischem Subjekt ersetzt.
Die Kategorie des Widerstands besagt jedoch wenig über die bestimmten Formen von Kritik, Rebellion und »Revolution«. Widerstand ist eine undialektische Kategorie, mit der sich keine Dynamik - und somit keine dialektische Wirklichkeit - fassen lässt und die mit einer Vorstellung von Gewalt zusammenhängt, die wichtige Unterscheidungen zwischen politisch verschiedenen Formen von Gewalt verwischt.
Bei der beschriebenen Wende zum Konkreten im Angesicht abstrakter Herrschaft handelt es sich selbstverständlich um eine Form der Verdinglichung. Zwei der verschiedenen Spielarten dieser Verdinglichung, die in den letzten 150 Jahren eine beachtliche Kraft entwickelt haben, sind die Identifikation des globalen Kapitals mit der britischen und später amerikanischen Hegemonie und seine Personifizierung in den Juden.
Diese Wende zum Konkreten hat, zusammen mit einer stark von den Dualismen des Kalten Krieges geprägten Weltsicht, zur Konstitution eines Bezugsrahmens beigetragen, in dem sich auch die jüngeren Massenmobilisierungen gegen den Krieg bewegt haben. Innerhalb dieses Bezugsrahmens verweist der Widerstand gegen eine Weltmacht nicht einmal implizit auf den Wunsch nach emanzipatorischer Veränderung, erst recht nicht im Nahen Osten. Dieses verdinglichte Verständnis endet schließlich in der stillschweigenden Unterstützung von Bewegungen und Regimes, die weitaus mehr mit früheren reaktionären und selbst faschistischen Formen von Rebellion gemein haben als mit irgendetwas, das man fortschrittlich nennen könnte. (...)
Es ist sicherlich nicht einfach, das globale Kapital zu begreifen und ihm entgegenzutreten - in jedem Fall ist es von entscheidender Bedeutung, einen Internationalismus wieder herzustellen und neu zu formulieren, der ohne jeden Dualismus auskommt. Wer am verdinglichten Dualismus des Kalten Krieges festhält, läuft Gefahr, eine Politik zu treiben, die vom Standpunkt menschlicher Emanzipation, vom Standpunkt des »Kommunismus« aus, bestenfalls fragwürdig wäre, wie viele Menschen sie auch ansprechen mag. (...)" (Moishe Postone: jungle.world/artikel/2005/33/...)
Quelle, Text & MP3 (leider mit Musikunterbrechungen): www.freie-radios.net/16210 | CC BY-NC-SA 2.0 DE | Produziert von: www.fsk-hh.org/
-
/ nokturnaltimes
/ nokturnaltimes
/ thenokturnaltimes
Негізгі бет Geschichte & Ohnmacht: Massenmobilisierung & aktuelle Formen des Antikapitalismus (2005)
Пікірлер: 1