Max Reger, 1873-1916
Symphonische Phantasie d-moll op. 57
Martin Lücker
Rieger-Orgel der
St. Katharinenkirche, Frankfurt am Main
Eine der zentralen kompositorischen Fragestellungen von Max Reger war sicherlich: Bis wohin läßt sich die Grenze dessen, was man als „Tonalität” bezeichnet, hinausschieben und welche Bewegungen sind in diesem Rahmen möglich?
„Tonalität” bedeutet die Möglichkeit, alle Harmonien einer Komposition auf ein - nicht nur gedachtes, sondern hörend erfahrbares - Zentrum zu beziehen, welches man in der Musiktheorie „Tonika” nennt.
Schon Richard Wagner hatte - namentlich im „Tristan” - die Tonalität an ihre Grenze geführt, insofern zum Beispiel in dem berühmten „Vorspiel” zu diesem Musikdrama die eigentliche „Tonika” gar nicht mehr erklingt, sondern sozusagen nur noch virtuell wahrnehmbar ist.
In Weiden schrieb Reger im Jahre 1901 die „Symphonische Phantasie und Fuge d-moll op. 57”, der später der Beiname „Inferno-Phantasie” gegeben wurde.Vermutlich versucht dieser Beiname das Unerhörte des Werkes in Worte zu fassen, denn wohl in keinem seiner Werke hat Reger derart exzessiv die Tonalität an ihre Grenzen geführt. Schon der dissonante Aufschrei des ersten Akkordes hat Musiktheoretiker immer wieder beschäftigt, wie dieser Klang noch auf die Grundtonart d-moll zu beziehen sei.
Dieser Klang, ein bald danach vorgestellter ausdrucksvoller Triolen-Gedanke und schließlich die absteigende Tonfolge „c-h-fis-f” bilden sozusagen die drei Themen der Phantasie. Um einen langen, visionären Adagiosatz herum gruppiert Reger zwei große, quasi-sinfonische Entwicklungen aus diesen drei Themen.
Warum nennt Reger dieses Werk „symphonisch”?
Die grundlegende Voraussetzung der „klassischen” Sinfonik als Austragung eines Konfliktes, der sich an zwei in Spannung zueinander stehenden Themen entzündet, erfüllt Reger sicherlich nicht, denn einerseits ist seine Spannung permanent, in fast jedem Takt, andererseits sind seine thematischen Erfindungen meist nicht präzis genug, um eine Sinfonie-Architketur zu erfüllen. Sicherlich versucht Reger durch den Beinamen „symphonisch” eher die Dimension des Werkes zu charakterisieren: der musikalische Satz und alle Vortragsbezeichnung scheinen ins Maßlose gesteigert (wohl kein anderes Orgelwerk Regers ist dermaßen „schwarz” vor Noten!).
Ist Max Reger ein „großer” Komponist, oder ist sein Werk nur ein großes - zudem deutsches - Problem? Diese Frage muß jeder Hörer und jeder Spieler an jedem Werk immer wieder neu versuchen zu beantworten.
Natürlich haftet der „Symphonischen” etwas Monströses an, in dem ich inzwischen eher ein verzweifeltes Suchen spüre als das philiströse Protzen mit den Möglichkeiten von Harmonie- und Fugenkunst.
Негізгі бет Max Reger: Symphonische Phantasie Op. 57 - Martin Lücker
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