Felix Mendelssohn Bartholdy ∙ Konzert für Violine und Orchester e-Moll op. 64
00:30 - Allegro molto appassionato
14:28 - Andante
22:50 - Allegretto non troppo - Allegro molto vivace
Deutsche Radio Philharmonie
Pietari Inkinen, Dirigent
Karen Gomyo, Violine
Congresshalle Saarbrücken ∙ Sonntag, 15. September 2019
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Die Entstehung von Felix Mendelssohn Bartholdys berühmtem Violinkonzert e-Moll ist eng verbunden mit Ferdinand David, einem Jugendfreund des Komponisten. Die beiden Musiker lernten sich 1825 in Berlin kennen; Felix war gerade 16 Jahre alt, Ferdinand ein Jahr jünger und als geigerisches Wunderkind auf Konzertreise. Als Mendelssohn zehn Jahre später Musikdirektor in Leipzig wurde, machte er den Freund zum Konzertmeister des Gewandhausorchesters, und natürlich unterrichtete der Geiger auch am Leipziger Konservatorium, das Mendelssohn leitete. In einem Brief aus dem Jahr 1838 schrieb Mendelssohn an David, dass es doch nicht viel solche Musiker gibt, wie Du bist, und dass ich mir am Ende doch keinen zweiten ausdenken könnte, mit dem ich so einig wäre in der Kunst. Bei der gleichen Gelegenheit kündigte er auch schon das Violinkonzert e-Moll an.
Auf dessen Fertigstellung musste David zwar noch bis 1844 warten, doch dafür erhielt er ein sehr originelles Werk, das mit neuen formalen Lösungen überraschte. Üblicherweise begann ja der Kopfsatz eines Konzerts mit einer „doppelten Exposition“: Vor der ersten Solopassage steht eine längere Orchestereinleitung, die zumindest einen Teil des thematischen Materials vorstellt. Mendelssohn verzichtete aber hier (wie auch in seinen weiteren Konzerten) auf das „erste Tutti“; der Solist setzt gleich im zweiten Takt mit dem Hauptthema ein. Aus Mendelssohns frühen Skizzen erkennt man, dass er diesen Anfang mehrfach überarbeitete. Er feilte lange an den melodischen und rhythmischen Konturen, bis aus der ursprünglichen Eingebung das markante Hauptthema entstand, das doch nach unserem Höreindruck nur so und nicht anders lauten kann.
Einen ungewöhnlichen Einstieg fand Mendelssohn auch für das ruhige zweite Thema: Es wird zuerst von Flöten und Klarinetten vorgetragen, während die Solovioline auf der leeren G-Saite einen Orgelpunkt, also einen lang ausgehaltenen Ton zu wechselnden Harmonien der übrigen Stimmen, spielt. Auffallend ist weiterhin die Anlage und Position der Solokadenz: Traditionell wurde sie ja vom jeweiligen Solisten nach eigenem Gusto ausgearbeitet oder improvisiert. Sie hatte ihren Platz am Satzende - ein bloßes Anhängsel ohne weitere Funktion als die Zurschaustellung von Virtuosität. Eingeleitet wurde sie mit einem Quartsextakkord, abgeschlossen durch einen langen Triller des Solisten, der damit das Signal für Start und Ende, ebenso die harten Schnitte zwischen Orchestertutti und unbegleitetem Solo. Die Abschnitte überlappen sich vielmehr, und als eine Art Scharnier dienen Arpeggien des Solisten. Sie leiten, zunächst noch vom Orchester unterstützt, den unbegleiteten Teil ein, und sie beenden ihn auf ungewöhnliche Weise: Die virtuosen Spielfiguren verwandeln sich unversehens in eine Begleitung des Anfangsthemas, das nun vom Orchester vorgetragen wird.
Eine letzte Überraschung hält Mendelssohn am Satzende bereit: Nach dem Schlussakkord lässt das erste Fagott seinen Ton in die eigentlich erwartete Pause hineinklingen. Die Sätze gehen also ineinander über - eine ungewöhnliche Maßnahme in einer Zeit, in der es durchaus noch an der Tagesordnung war, einzelne Sätze auf Verlangen des Publikums zu wiederholen. Doch gerade das damals übliche, „stimmungsmordende“ Klatschen in den Satzpausen wollte Mendelssohn unterbinden. Deshalb ließ er auch den zweiten Satz, ein C-Dur-Andante in dreiteiliger Liedform, ohne Pause ins Finale übergehen. Hier widmete er der Überleitung sogar eine eigene Passage von vierzehn Takten mit selbständigem thematischem Material. Ihr folgt ein rasches Rondo voller Spielwitz und raffinierter Klangwirkungen. Durch seine federnde Leichtigkeit lässt dieser Schlusssatz an einen Elfenspuk denken, eine Zauberwelt, wie sie auch die berühmte Sommernachtstraum-Ouvertüre beschwört. Ferdinand David führte das Werk am 13. März 1845 in Leipzig zum ersten Mal auf. Der Komponist konnte nicht dabei sein, erfuhr aber aus einem Brief des Geigers: [Das Violinkonzert] hat ganz außerordentlich gefallen, einstimmig wird es für eins der schönsten Stücke in diesem Genre erklärt; es erfüllt aber auch alle Ansprüche, die an ein Konzertstück zu machen sind, im höchsten Grade auch die Violinspieler können Dir nicht dankbar genug sein für diese Gabe. An dieser Einschätzung hat sich bis heute nichts geändert.
Негізгі бет Mendelssohn Bartholdy: Violinkonzert e-Moll / Karen Gomyo / Pietari Inkinen / DRP
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