Der Krieg im Gazastreifen dauert schon neun Monate, und es gilt als sicher, dass jetzt eine neue Phase beginnt. Der Krieg ist nicht beendet, aber die israelische Operation im Raum Rafach gegen die letzten militärisch organisierten Formationen der Hamas wird abgeschlossen, es wird dann keine intensiven Kämpfe mehr geben, Israel wird einen großen Teil seiner Truppen aus dem Gazastreifen zurückholen.
Mehr denn je steht damit die Frage im Raum: Was kommt am Tag danach, wer wird nach dem Krieg den Gazastreifen kontrollieren und verwalten, wie sieht die Nachkriegsordnung aus? Diese Frage wurde vom ersten Tag an gestellt, in Israel selbst und auch in der Welt, und für Israel ist besonders relevant, dass sie ständig von den Amerikanern gestellt wurde und wird.
Das Argument hinter dieser Frage: Ein Krieg kann nur gewonnen werden und hat nur einen Sinn, wenn man ein politisches Ziel definiert. Die Politiker müssen der Armee genau vorgeben, wie lange sie wo bleiben soll und welche Strukturen dort stehen sollen, wenn die Soldaten wieder abziehen, sonst gehen alle Kriegserfolge wieder verloren. Es darf kein Vakuum geben.
Das ist generell ja klar. Unklar wird es aber leider, wenn man versucht, die Frage nach dieser Nachkriegsordnung spezifisch zu beantworten. Und zunächst einmal: nein, das hat fast nichts mit der Zwei-Staaten-Lösung zu tun. Die Zwei-Staaten-Lösung ist ein vager Überbegriff, eine Art Masterplan, um den man sich 30 Jahre lang vergeblich bemüht hat, und sie könnte nur durch neuerliche jahrelange Detailverhandlungen erreicht werden, und nur, wenn die Hamas nicht mehr im Weg steht. Die Zwei-Staaten-Lösung kann also, wenn überhaupt, nur etwas Langfristiges sein, eine Nach-Nach-Nach-Kriegsordnung.
Wir reden aber jetzt von etwas Kurzfristigem, vom berühmten „Tag nach dem Krieg“. Einen ziemlich breiten Konsens gibt es da über zwei Punkte: die Hamas soll den Gazastreifen nicht regieren, und Israel soll den Gazastreifen nicht regieren.
Ja, aber wer s o l l denn dann den Gazastreifen regieren? Zum Beispiel die Palästinensische Autonomiebehörde von Mahmud Abbas? Aber sie sympathisiert mit dem Terror, ist unpopulär, korrupt, schwach, unreformierbar.
Oder eine Koalition arabischer Staaten, also vielleicht Beamte aus Ägypten, Saudi-Arabien, den Emiraten? Die werden sich das bestimmt nicht antun. Oder vielleicht eine Koalition aus Europa, Tausende Soldaten und Polizisten aus Frankreich, Deutschland, Österreich? Eine absurde Vorstellung.
Oder verschiedene lokale palästinensische Gruppierungen - also große Clans, die von Muchtaren angeführt werden, so eine Art von Dorfkaisern? Das wäre ein Rezept für Chaos und Kriminalität.
Wie auch immer - die Palästinensische Behörde oder eine arabische oder europäische Mission oder die lokalen Führer, sie wären natürlich alle nicht imstande, sich vor der Hamas zu schützen. Sie könnten also nur an die Arbeit gehen, wenn die Hamas militärisch zerschlagen ist. Ob das überhaupt möglich ist, ist eine eigene Frage, aber die israelische Führung hat da einen Punkt, wenn sie sagt: Erst müssen wir den Krieg gewinnen, dann können wir über die Nachkriegsordnung reden.
Erst vor Kurzem hat Antony Blinken, der US-Außenminister, wieder einen „klaren, kohärenten Plan für die Verwaltung von Gasa“ gefordert, und ja, es wäre sympathischer, wenn Israel irgendeinen Plan vorlegen würde. Aber umgekehrt: Ist es sinnvoll, irgendeinen Plan vorzulegen, nur damit es heißt, dass man einen Plan hat, auch wenn er gar nicht realisierbar ist?
Im Moment gibt es nur zwei Optionen: gar nichts sagen oder leere Worte machen. Beide Optionen sind schlecht. Die Wahrheit ist nämlich: Niemand weiß, wann und wie der Krieg enden wird, die unsichere und traurige Lage wird wohl noch lange andauern, und - ob mit Plan oder ohne Plan für den Tag danach - es gibt aus jetziger Sicht keine Lösung für den Gazastreifen.
Haben Sie genug von seichter einseitiger Nah-Ost Berichterstattung in den Medien? Dann lassen Sie sich von Mena-Watch, dem unabhängigen Nah-Ost Think Tank informieren!
www.mena-watch...
Unser Team von Politikwissenschaftlern, Historikern und Autoren garantiert die Faktentreue unserer täglichen Veröffentlichungen, sowie Publikationen und steht für Anfragen zur Verfügung.
Den wöchentlichen Newsletter mit Analysen, Kommentaren und Editorial können Sie unter www.mena-watch... anbonnieren.
Die Mena-Talks können Sie auch als Podcast auf allen gängigen Plattformen hören und abonnieren. Eine Übersicht über alle Podcast-Folgen finden sie auf mena-talk.podi....
Негізгі бет Nachkriegsordung: Nicht die Hamas und nicht Israel - aber wer soll Gaza eigentlich regieren?
Пікірлер: 8