Beschreibung der Kirche aus dem Heft: "Kirchenbuch des Ev. Kirchenbezirks Backnang" aus dem Jahr 1959 (Auszug)
Kommt man heute nach Rietenau, dem aufstrebenden Badeörtchen im verträumten Tale des Klöpferbaches, von Wäldern und Weinbergen umgeben, muß man sich einfach wundern, was aus diesem Ort mit seinen freundlichen, arbeitsamen und gastfreien Menschen geworden ist. Die alten Fachwerkhäuser - und Rietenau ist reich an solchen - grüßen in neuem Gewande den Fremdling, und sind stille Zeugen einer ganz besonderen Geschichte, die es wert ist, daß man sie näher kennenlernt.
Ein fränkischer Ritter, Diemar von Röttingen im Taubergrund, ist der erste in der Geschichte bekannte Rietenauer Bürger. Dieser war früher kaiserlicher Hauptmann auf der Reichsfeste Trifels in der Pfalz gewesen. Am 18. Januar 1103 verließ er Rietenau wieder und trat als Mönch in das Kloster Hirsau ein, dabei schenkte er dem Kloster sein ganzes Vermögen, nämlich Rietenau mit 20 Hub, das sind 20 Bauerngüter, und viel Wald. (1 Hub waren je nach Ortslage 30 bis 50 Morgen Felder.) Die Hirsauer Mönche haben damals in ganz Deutschland die Kirchen gebaut. Als nun Rietenau hirsauisch war, kamen sie auch hierher und haben etwa im Jahr 1230 die Rietenauer Kirche im romanischen Baustil erbaut und sie dem "Heiligen Ulrich" geweiht. Volland, der damalige Abt des Klosters Hirsau war sehr verschwenderisch und hatte viele Schulden gemacht, daß er froh war, als er Rietenau an das neugegründete Frauenkloster "Marienthal" in Steinheim an der Murr verkaufen konnte. Dies geschah am 6. Oktober 1262. Die Rietenauer waren mit dem Verkauf ihres Ortes nicht einverstanden; sie widersetzten sich sehr heftig, bis es schließlich zu einem Prozeß in Speyer kam. Auch Rietenau war durch einen einfachen Bauersmann vertreten, den man nicht zu Wort kommen ließ und als nicht anwesend registrierte. In der örtlichen Pfarrbeschreibung kann man nachlesen: "Ein hübsches Pröbchen hierarchischer Gerechtigkeit gegen dumme Bauern!" Als der Dekan von Marbach für das Kloster in Steinheim von Rietenau Besitz ergreifen wollte, fand er eine offene Empörung und gewaltsamen Widerstand. Der Bischof von Speyer tat nun Rietenau wegen "Ausbleibens" und "Ungehorsams" in den Bann, und das war im Jahr 1265. Das war damals ein geradezu schauerliches Mittel und versetzte die Bewohner in die größte Seelenangst. Es bedeutete für jeden einzelnen, daß keine kirchliche Handlung mehr ausgeübt werden durfte. Da die Rietenauer hartnäckig blieben, wurde die Strafe dadurch verschäft, daß man befahl, daß jede Familie bei brennender Kerze unter Glockengeläut an jedem Ort der Diözese, wo es vom Dekan befohlen würde, öffentlich am Sonntag und jeden Feiertag mit Namensnennung verlesen würde, niemand darf mit ihnen verkehren oder Handel treiben. Dies sollte so lange fortgesetzt werden, bis die Einwohner "vor Scham rot und reumütig wieder in den Schoß der Mutter Kirche zurückkehren würden". Erst als die Rietenau im Jahre 1555 evangelisch wurde, hörten die Zwistigkeiten auf. Pfarrer Magister Bernhard Schönkapp war der erste ständige evangelische Pfarrer in Rietenau. Im Taufbuch der Gemeinde Rietenau können wir heute noch nachlesen, daß er am 23. Dezember 1555 aufgezogen ist.
Auch der 30jährige Krieg ging an der Gemeinde Rietenau nicht spurlos vorüber. Im Jahre 1626 starben 212 Personen an der Pest, im Jahr 1635 waren es über 100 Personen. Die beiden damaligen Pfarrer Zacharias Nocker und Pfarrer Wirichius Wieland wurde Opfer der hier wütenden Pest. Im Jahr 1639 bestand die Gemeinde Rietenau nur noch aus 6 Bürgern, die nach Backnang in die Kirche gingen.
Untrennbar mit dem Ort Rietenau ist das Bad verbunden. 300 Jahre lang gehörte das Bad zu dem Kloster Steinheim. Die Nonnen hatten es schon im Jahr 1262 entdeckt, sie erkannten bald die heilende Wirkung des Bades. Ungefähr 150 Jahre war das Bad nur für das Kloster bestimmt. Die Klosterfrauen schickten ihre Beichtväter, Kapläne, ihre Klosterfreuen und von ihnen selbst ausgewählte Personen. Der Badebetrieb und die Besitzer wechselten seither stark, aber immer wieder gingen genesene Kurgäste dankbar von dannen. Das Mineralwasser ist eisen- und kochsalzfrei und soll Heilwirkungen bei Rheuma, Ischias, Zucker, Lähmungen, Herz- und Kreislaufstörungen aufweisen. Ein dankbarer Gast hat daher folgenden Reim geprägt: "Vor Cannstatt, Boll und Niederau, Lobt mancher drum sich Rietenau!".
Erst im Jahre 1958 hat das Bad durch den Bau eines Sprudelabfüllwerkes mit vollautomatischer Abfüllanlage einen beachtlichen Aufschwung erlebt. In 35 Lieferwagen werden täglich etliche tausend Flaschen von Mineralwasser und Limonaden in die nähere Umgebung versandt.
Musikalischer Beitrag:
Choralimprovisation von Jörg Romanski zu dem Choral "Nun danket alle Gott" auf der Alexander Schuke-Orgel in der Kirche Finkenkrug (Falkensee-Finkenkrug).
Informationen unter:
www.aspach-eva...
www.aspach.de/...
Негізгі бет St.-Ulrich-Kirche Rietenau mit Glockenläuten
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