Im Bahnknotenpunkt Rüti ZH, wo die Tösstalbahn Rapperswil - Wald - Bauma - Winterthur von der Glatttalbahn Rapperswil - Uster - Zürich abzweigt, bestand seit 1877 ein umfangreiches Werkgleisnetz der Maschinenfabrik Caspar Honegger & Cie (ab 1974 «Sulzer-Rüti»), das über eine rund 100 Meter lange und ebenso viele Promille steile Riggenbachsche Zahnrad-Rampe an den Bahnhof angeschlossen war. Neben den beiden Rigi-Bahnen, der Rorschach-Heiden-Bergbahn, der damaligen Lausanne-Ouchy-Bahn und einigen weiteren Industriebahnen war dies einer der wenigen normalspurigen Zahnradabschnitte hierzulande. Aus logistischen Gründen wurden diese Gleise nie elektrifiziert, vielmehr bestellte man sogar noch 1951 bei der SLM die fabrikneue Dampflok Eh2/2 3 «Rosa». Ihre Vorvorgängerin Eh2/2 1 «Caspar Honegger» kam dadurch aus dem Reservedienst in eine private Sammlung und überlebte bis heute, seit 2014 ist sie wieder total restauriert und mit vmax 14 km/h gebrauchsfähig. «Rosa» war nun bis 1962 im täglichen Betrieb und wurde dann von der Diesellok Tmh 4 auf die Reservebank verbannt. Von dort wiederum wanderte im selben Jahr ihre Vorgängerin Eh2/2 2 in den Rapperswiler Kinderzoo und weckte fast drei Generationen lang in gar manchem Kind mehr oder weniger nachhaltig eine Faszination für Dampfloks (erst 2012 wurde sie verschrottet, nachdem sie die SUVA als zu gefährlich für einen Kinderspielplatz eingestuft hatte).
Der Hobby-Filmer Kaspar Kirchgraber (1961-2008) kam als Lokomotivführer des Depots Zürich in der ganzen Region herum und erfuhr von den Rangierarbeitern und Bahnhofvorständen jeweils zeitnah, was wo Spezielles ablief. Mitte der 1980er-Jahre weilte in Rüti der Tmh 4 wieder einmal in der Hauptrevision, und so wurde die «Rosa» im Hinblick auf einige Tage Dauereinsatz aus der Konservierung geholt. Kaspar verbrachte nun seine Freizeit mit der 16mm-Filmkamera im Areal und hielt die (leider unvertonten) Eindrücke rund um den Betrieb dieser ganz besonderen Industriedampflok fest.
Ebenso sehenswert wie die Werkbahnszenen sind auch die Bilder aus dem Dorfleben, von den damaligen Automodellen über die Elektro- und Telefon-Freileitungen bis zum alten Bahnhof mit seinen Barrieren und schmalen Perrons. Stolz und selbstbewusst präsentierte der zum Winterthurer Sulzer-Konzern gehörende Betrieb sein Weltkugel-Logo am 10-stöckigen Verwaltungshochhaus und am Rauchkammerrad der Dampflok, um damit sein Marktgebiet der stets weltbesten Webmaschinen zu symbolisieren. Zu den besten Zeiten wurden an die 40 Güterwagen täglich in den Bahnhof hinauf gestossen, von wo das sorgsam in massgeschreinerte Kisten verpackte Exportgut per Bahn und Schiff zu den Käufern auf allen Kontinenten gelangte. Dies erforderte manche Fahrt über die seit 1955 auf einer geschwungenen Betonbrücke verlaufende Rampe, welche die Dampflok stets im «Vollgaracho» hochzufahren pflegte (zwei schöne Szenen ab 18:15 - nicht im Zeitraffer!). Hier im Film wird aber zunächst lediglich ein zweiachsiger Shell-Kesselwagen mit Heizöl/Dieselöl abgeholt. Später sieht man dann auch die klassischen Tbis-Wagen mit dem öffnungsfähigen Dach, wo die Kisten per Kran verladen und entnommen werden konnten. Im halboffenen E-Wagen wurde wohl Kistenholz für die Schreinerei angeliefert.
Auffälliges Merkmal der bulligen Dampflok sind die bergseitig angebrachten übergrossen Pufferteller, die einen Teil der Gewichtskräfte der bergwärts stets geschobenen Last aufnehmen mussten. Im übrigen war die Lok mit nicht übersetztem Zahnrad sehr einfach konstruiert. Bemerkenswert für eine Industrielok sind die schönen Petrollampen, die wohl von einer Vorgängerin übernommen wurden.
Als der Film 1986 entstand, war hier schweizweit eines der letzten «Dampf-Reservate», lediglich in Rheinfelden gab es noch täglichen und in Uetikon und Choindez gelegentlichen Dampfbetrieb. In den Neunzigerjahren wurde auch die Sulzer-Rüti von der Desindustrialisierungswelle erfasst. Das Areal ist heute eine hochrentable Immobilie für den Tertiärsektor. Da braucht es keine Werkbahn mehr. Die Gleise liegen zwar noch, sind aber nicht mehr ans SBB-Netz angeschlossen. Nachdem sich die «Rosa» im Dezember 1996 im Rahmen von Publikumsfahrten mit einem DVZO-Wagen von der Fabrik verabschiedet hatte, gelangte sie unter die Fittiche der Eurovapor Sulgen und wurde bis 2016 auf der Rorschach-Heiden-Bergbahn vor Nostalgiezügen eingesetzt. Seither wartet sie mit revisionsfälligem Dampfkessel auf bessere Zeiten und Spendengelder.
Негізгі бет Werkdampflok Eh2/2 3 «Rosa» in der Fabrik Rüti
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